Am 4. Oktober 2016 fand die 12. Jahrestagung des Münchner Finance Forum e.V. zum Thema „Investieren in Zeiten unkonventioneller Geldpolitik“ statt. Im AudiMax der TU München fanden sich 500 Besucher ein, die insgesamt 5 Vorträge und Diskussionen verfolgten.

Ingo Mainert (Allianz Global Investors) machte den Auftakt mit einer Präsentation zum Thema „Negativzinsen, die geldpolitische Erziehung zur Ungeduld?“. In einem Datensatz von 5000 Jahren sehen wir gerade erstmals negative Zinsen. Die Notenbanken haben durch massive Käufe von Staatsanleihen die Zinsen in den negativen Bereich gebracht. Es gäbe eine Blase, die aber nicht von Euphorie getrieben sei. Die negativen Zinsen waren nach der Taylor-Regel (geldpolitische Reaktionsfunktion der Fed) nach 2008 gerechtfertigt, allerdings sollten sie seit 2014 wieder positiv sein. Mit Zinserhöhungen tut sich die Fed jedoch sehr schwer, weil an ihren Entscheidungen heute die weltwirtschaftliche Entwicklung hängt. In einer Umfrage von institutionellen Anlegern ist das “Ereignisrisiko” von politischen Entscheidungen (Auswirkung von Brexit, Italien-Referendum etc.) im letzten Jahr besonders gestiegen.

Anschließend präsentierte Dr. Daniel Stelter (Forum Beyond the Obvious) seine Sichtweise zu “Investieren in der Eiszeit!”. Die heutige Krise ist im wesentlichen eine Schuldenkrise. In den letzten 3 Jahrzehnten sind die Schulden weltweit stark gestiegen. Nur 24% der Schulden wurden produktiv für Einkommenserzielung genutzt, der Rest wurde als Hebel zum Kauf von unproduktiven Assets wie insbesondere Immobilien verwendet. Deswegen sind die hohen Preise eine Folge der Schulden. Diese würden radikal sinken, wenn die Schulden nicht mehr bedient werden können und abgeschrieben werden müssen. Die Notenbanken müssen die Zinsen immer weiter senken, damit die Schuldner nicht ausfallen. Es zeichnet sich ab, dass dieses Spiel bald ein Ende finden muss, weil die Erwerbsbevölkerung schrumpft und auch die Produktivität nicht stark wächst. Bei der Kapitalanlage geht es nicht mehr um eine Rendite, sondern um bloßen Kapitalerhalt. Jungen Menschen empfahl er die Auswanderung nach Kanada, Chile oder Australien.

Nach dem Mittagessen sprach Dr. Klaus Wiener (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) zu „Nullzinsen, Negativzinsen, Strafzinsen: Die Kapitalanlage der Versicherungswirtschaft in Zeiten des großen geldpolitischen Experiments“. Aufgrund von Regulierung, Verbindlichkeitsstruktur und der hohen Nachfrage nach Garantieprodukten hat die Asset Allocation der Versicherer immer weniger Freiheitsgrade. Zwar können die Versicherer kurzfristig noch die großen Kursgewinne der Anleihen realisieren und die Zinszusatzreserve aufbauen. Allerdings gibt es für die Wiederanlage keine auskömmlichen Renditen mehr. Die historisch beispiellose Geldpolitik schafft große Risiken für die Pensionsverpflichtungen der Unternehmen. Aktuell suchen Versicherer vermehrt Anlagen bei Multi-Asset Strategien, Immobilien und Alternative Investments.

Die akademische Sicht wurde von Prof. Dr. Gerhard Illing (LMU München) mit einem Vortrag zu „Unkonventionelle Geldpolitik – Strategien im Kampf gegen Stagnation“ vertreten. In der Vergangenheit hat es bereits mehrmals negative Realzinsen gegeben. Negative Nominalzinsen sind dagegen neu und werden als Strafe empfunden, auch bei gleichem Effekt auf die reale Rendite. In keinem VWL-Lehrbuch sind negative Zinsen vorgesehen. Die Flucht in Geldhortung (John Hicks, 1937) sorgt in der Theorie dafür, dass der Nullzins die Untergrenze sein muss. In der Praxis kann durch die Abschaffung des Bargelds oder auch durch das Konzept des Schwundgelds eine negativer Zins durchgesetzt werden. Negativzinsen sind jedoch eine Gefahr für den Bankensektor, weil die Profitabilität sinkt. Zudem steigt der Anreiz für Leverage. Die Zentralbanken sollten das Inflationsziel anheben. Außerdem sollte eine angemessene fiskalische Reaktion erfolgen.

Den Abschluss machte Dr. Thomas Kressin (PIMCO) mit einem Referat zum Thema „Makroökonomische Trends in Zeiten extremer Geldmarktpolitik“. PIMCO sieht die Welt aktuell als “stabil, aber nicht sicher”. Gefahren bestehen durch Schuldenüberhang und Sparflut, Grenzen der Zentralbankpolitik sowie der Zunahme von Populismus und politischer Unsicherheit. Die “Fähigkeit der Politiker, Dinge zu vermasseln, sollte niemals unterschätzt werden”. Neben der US-Präsidentschaftswahl steht Ende November ein Referendum in Italien an. Im Frühjahr 2017 werden der Brexit ausgelöst sowie Wahlen in Holland und Frankreich abgehalten, bevor im September 2017 der Bundestag neu gewählt wird.

Den Vortrag von Herrn Dr. Daniel Stelter finden Sie hier als Buch.